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Entwurf v. Galens zu einem gemeinsamen Hirtenwort der deutschen Bischöfe
(Münster, Ende Dezember 1935)

Der Text ist enthalten in: Bischof Clemens August Graf von Galen – Akten, Briefe und Predigten 1933-1946 (2 Bde.). Bearbeitet von Peter Löffler. Matthias-Grünewald-Verlag Mainz 1988. ISBN 3-7867-1394-4 und trägt die Dokument Nr. 146 (325-334). Aus Gründen des Urheberrechtes sind alle Fußnoten getilgt.

Geliebte Diözesanen!

Im Bewußtsein der auch uns obliegenden Verantwortung für das Glück und die Zukunft unseres deutschen Volkes, im Hinblick auf die einzigartige Führerstellung, welche die göttliche Vorsehung dem Führer und Reichskanzler Adolf Hitler über die im deutschen Reiche geeinte deutsche Nation anvertraut hat, haben die in Fulda versammelten deutschen Bischöfe im August des Jahres 1935 dem Führer und Reichskanzler eine Denkschrift unterbreitet. Wir haben ihm mit Ehrerbietung, welche wir um des Gewissens willen und bereit­willig dem Inhaber der höchsten obrigkeitlichen Würde und Gewalt in unserem Volke darbringen, aber auch mit dem Freimut, welche wir unserem heiligen Amte schulden, über Bestrebungen und Vorgänge berichtet, welche uns mit tiefer Sorge für das Heil der anvertrauten Seelen und den Bestand und das Wirken des Reiches Gottes in unserem Vaterland erfüllen. Wir haben eindringlich gebeten, das durch den Abschluß des Reichskonkordats am 20. Juli 1933 so hoffnungsvoll eingeleitete verständnisvolle Zusammenwirken von Staat und Kirche wiederherzustellen und zu fördern. Unsere Eingabe ist am 30. August 1935 dem Herrn Führer und Reichskanzler überreicht worden. Eine Antwort haben wir nicht erhalten.

Darum erheben wir heute unsere Stimme vor der Öffentlichkeit, im Bewußtsein unserer heiligen Verantwortung vor Gott. Im innigen Wunsche, nichts zu unterlassen, was geeignet ist, das Leid und die Ge­fahren eines sog. »Kulturkampfes« von unserem lieben deutschen Volk und Vaterland fernzuhalten, wollen wir euch, den unserer Sorge anvertrauten deutschen Katholiken, vor allen deutschen Volksgenossen, auch den Nichtkatholiken, vor der gesamten Kirche und der Weltöffentlichkeit, noch einmal unser heißes Verlangen bezeugen, die moralischen Kräfte der katholischen Religion für die sittliche Erneuerung des deut­schen Volkes einzusetzen, aber auch es freimütig darlegen, welche Hindernisse diesem Einsatz in den Weg gelegt werden. Sollten unsere Darlegungen und Versicherungen, unsere Warnungen und Beschwerden keinen Erfolg haben und ungehört verhallen, und so das Unrecht und Leid hereinbrechender Glaubenskämpfe unser deutsches Volk in neues Unglück stürzen, so sollen unsere Worte wenigstens vor Gott und vor der Welt, vor unserem Volke und vor den späteren Generationen uns zu Zeugen werden, daß wir gewacht, die Gefahr gesehen und gewarnt haben.

In seinem Buche »Mein Kampf« hat der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler folgende programmatische Worte niedergeschrieben: »Dem politischen Führer haben religiöse Lehren und Einrichtungen seines Volkes immer unantastbar zu sein, sonst darf er nicht Politiker sein, sondern soll Reformator werden, wenn er das Zeug hierzu besitzt! Eine andere Haltung würde vor allem in Deutschland zu einer Katastrophe führen« (S. 127). »Ich stehe nicht an, zu erklären, daß ich in den Männern, die heute die völkische Bewegung in die Krise religiöser Streitigkeiten hineinziehen, schlimmere Feinde meines Volkes sehe, als im nächstbesten international eingestellten Kommunisten« (S. 631).

Daß in den Jahren des Kampfes um die Macht die vom Führer verlangte Haltung und Zurückhaltung von Angriffen auf christliche Glaubenswerte von manchen Vertretern der völkischen Bewegung nicht eingehalten worden ist, hat er selbst festgestellt und verurteilt (S. 632). Die dadurch heraufbeschworene Gefahr einer religiösen Verwirrung und Verführung jener Katholiken, welche die vom Nationalsozialismus verfochtenen nationalen Ziele als die ihrigen erkannten und bejahten, nötigte die deutschen Bischöfe nach langem Zuwarten im Jahre 1931 vor dem vollen Anschluß an den Nationalsozialismus zu warnen, »solange und soweit er kulturpolitische Auffassungen kundgibt, die mit der katholischen Lehre nicht vereinbar sind«.

Die Worte, welche der Reichskanzler Hitler am 23. März 1933 nach der Übernahme der Führung der Reichs­regierung öffentlich aussprach, gaben die Gewähr, daß er als verantwortlicher oberster Leiter der Reichspolitik und als anerkannter einzig maßgebender Führer der nunmehr herrschenden NSDAP den Wert, die Aufgaben und die Rechte der christlichen Kirche hochachten und die christliche Heilslehre als das »Fundament einer sittlich-religiösen und moralischen Festigung unseres Volkskörpers« anerkennen und schützen werde.

Im Hinblick auf diese offene und verbindliche Stellungnahme des Führers haben die deutschen Bischöfe sofort am 28. März 1933 die Warnung vor der Teilnahme an der nationalsozialistischen Bewegung zurückgezogen und damit den ihnen anvertrauten Gläubigen die wegen der bis dahin bestehenden Unklarheit inbezug auf die religiösen Ziele der Bewegung beschränkte Freiheit zur Mitarbeit in der-selben wiedergegeben. Darüber hinaus haben sie in ihrem gemeinsamen Hirten-Brief vom Pfingstfest 1933 öffentlich das im Nationalsozialismus hervorbrechende Gute ausdrücklich bejaht und anerkannt und die deutschen Katholiken zu freudiger Mitarbeit aufgerufen: »Wir wollen dem Staate um keinen Preis die Kräfte der Kirche entziehen, und wir dürfen es nicht, weil nur die Volkskraft und die Gotteskraft, die aus dem kirch­lichen Leben unversiegbar strömen, uns erretten und erheben kann. Ein abwartendes Beiseitestehen oder gar eine Feindseligkeit der Kirche dem Staate gegenüber müßte Kirche und Staat verhängnisvoll treffen ... Fest verwurzelt im deutschen Boden, aber nicht minder fest im Felsengrunde Petri und unserer Kirche reichen wir deutschen Bischöfe und Katholiken auch unseren anderen Brüdern die Hand, um mitzuhelfen am Wiederaufbau unseres Volkes.«

Diesen Willen und diese Bereitschaft zu vollem Einsatz der moralischen Kräfte der treuen Söhne der Kirche für die Unterstützung und das Gelingen des deutschen Erneuerungswerkes, diese Absage an konfessionellen Hader haben die deutschen Bischöfe und die deutschen Katholiken, die auf ihre Stimme hören, ohne Schwanken festgehalten. Der von uns freudig begrüßte Abschluß des Reichskonkordates am 20. Juli 1933 bestärkte uns in der Hoffnung, daß die Reichsregierung unser offenes und ehrliches Bekenntnis zum deut­schen Aufbauwerk anerkennen und alle Hemmungen, welche dem vollen Einsatz der im deutschen Katholi­zismus angesammelten Kräfte mißtrauisch abwehren und hindern wolle, mit starker Hand ausräumen würde.

Solche Hemmungen waren und sind nicht von unserer Seite bewirkt und aufrecht erhalten. Diese Hemmungen waren und sind entstanden durch die Bestrebungen jener, welche im Gegensatz zu den programmatischen Worten des Führers, die völkische Bewegung mit einem Kampf gegen den sog. »Ultra­montanismus«, in Wirklichkeit gegen das Christentum und besonders gegen die katholische Kirche

belastet haben. Hitler hat sich ausdrücklich gegen dieses Unterfangen gewendet und geschrieben: »Es wird immer die oberste Pflicht der Leitung der nationalsozialistischen Bewegung sein, gegen jeden Versuch, die nationalsozialistische Bewegung in den Dienst solcher Kämpfe zu stellen, schärfstens Front zu machen und die Propagandisten einer solchen Absicht augenblicklich aus den Reihen der Bewegung zu entfernen« (S. 632).

Wir müssen öffentlich feststellen, daß diese vom Führer erkannte und ausgesprochene Forderung nicht überall beachtet worden ist. Im Gegenteil: der Kampf gegen die Wahrheiten des Christentums und gegen die Kirche und ihre Vertreter wird parteiamtlich nicht gehindert, sondern vielfach gefördert. Er wird in zahlreichen von Parteistellen herausgegebenen Blättern und Zeitschriften unaufhörlich geführt und geschürt.

Ein Buch, von dem der Verfasser selbst in einer späteren Schrift unumwunden erklärt, daß seine Lehre »sich unmöglich mit den bisherigen offiziellen (christlichen) Bekenntnissen vereinigen« läßt, wird nicht nur in der Parteipresse, sondern auch in unzähligen Lehrgängen und Schulungskursen, ja amtlich durch offizielle Anweisung als Hilfsmittel zur Erziehung des Volkes im nationalsozialistischen Geiste empfohlen. Und doch hat die für alle Katholiken maßgebende höchste Lehrautorität von diesem Buche erklärt, daß es »alle Dog­men der katholischen Kirche, ja sogar die Fundamentalwahrheiten der christlichen Religion verächtlich zu machen und auszurotten versucht; es proklamiert die Forderung, eine neue Religion, sozusagen eine deutsche Kirche, zu errichten und behauptet das Erwachen eines neuen mythischen Glaubens, des Mythus des Blutes; eines Glaubens, mit dem Blute auch das göttliche Wesen des Menschen zu verteidigen; eines Glaubens, der vom hellsten Wissen unterstützt, lehrt, daß das nordische Blut jenes Mysterium darstelle, welches die alten Sakramente (des Christentums) ersetzt und überwunden hat«. Im Geiste dieses Buches wagt man es in Wort und Schrift den ewigen Gott, den das Christentum verkündet, den Herrn des Himmels und der Erde, zu lästern und zu schmähen. Man wagt es, Jesus Christus, den menschgewordenen Sohn Gottes und seine Erlö­sung von Sünde und Schuld als deutschem Wesen fremd abzulehnen. Nach dem Vorbilde dieser Schrift wird ohne Aufhören die Stiftung Jesu Christi, die katholische Kirche und ihr von Christus bestelltes Oberhaupt, der römische Papst, verunglimpft, verleumdet und als dem deutschen Volke feindlich öffentlich hingestellt. Und solche christentumsfeindlichen Lehren werden in dem Schrifttum und den Veranstaltungen der staatlichen und der vom Staat geförderten Organisationen verkündet, welche alle am deutschen Aufbau mittätigen Volksgenossen, auch alle Katholiken umfassen sollen. Ja selbst die für die gesamte deutsche Jugend bestimmten Schriften der Reichsjugendführung sind erfüllt von dem Geiste dieses Neuheidentums und der Bekämpfung der christlichen Wahrheit und der christlichen Kirche.

Wir deutschen Bischöfe haben uns oft und oft öffentlich und an amtlichen Stellen darüber beschwert und Abhilfe gefordert. Leider fast immer vergeblich; nur in ganz wenigen Fällen ist ein Einschreiten der öffentlichen Gewalt gegen die gemeinsten Gotteslästerungen und Verhöhnungen des Christentums erfolgt. Selbstverständlich lehnen wir gewaltsame Bekehrungsversuche an jenen unglücklichen Menschen ab, welche wohl zum größten Teil das wahre Christentum niemals kennengelernt haben und es nur in dem Zerrbilde sehen, das alte und neue Gegner, glaubensfeindliche Rationalisten und liberale sog. Freidenker, Marxisten und Freimaurer mit dem Pinsel des Hasses von ihm entworfen haben. Aber gegen die freie Propaganda für diesen Gotteshaß und diese Christentumsfeindschaft, für diese Abkehr von den ererbten, christlichen Heils­gütern unseres Volkes, gegen die amtlich geduldete und geförderte Verführung weitesterd Volkskreise und besonders der noch ungefestigten Jugend legen wir feierlich Protest ein und fordern in tiefer Sorge für das Heil der Seelen und für das Glück unseres Volkes das starke Eingreifen der dazu berufenen und verpflichteten Staatsgewalt. Denn es kann ernstlich nicht bestritten werden, daß der Neubau des deutschen Volkslebens mißlingen muß, wenn er statt auf dem Felsengrund ewiger Wahrheiten auf dem Flugsand ihr widersprechender menschlicher Modemeinungen errichtet wird; wenn Ehre, Pflicht, Opferwilligkeit, Treue nicht im ewigen unwandelbaren Willen des überweltlichen Gottes, der uns erschaffen hat und über uns richten wird, begründet werden, sondern in willkürlich, als letzte Höchstwerte hingestellten irdischen Dingen oder angeblich unfehlbar wirkenden Rassegefühlen. Wer den ewigen überweltlichen Gott, unseren Ursprung und unser Endziel, ablehnt und willkürlich statt dessen behauptet, daß »die Nation das Erste und das Letzte ist, dem sich alles andere zu unterwerfen hat«, wer die Geistigkeit und Unsterblichkeit der menschlichen Seele leugnet und zum Ersatz den Glauben an eine gemeinsame »ewige Rassenseele« fordert, der raubt dem Einzelleben und dem Volksleben die einzig zuverlässigen Stützen der Ehrenhaftigkeit, der Gewissenhaftigkeit, der Treue und des Opfermutes. Adolf Hitler selbst hat es ausgesprochen, daß die dogmatischen Grundlagen der christlichen Kirche jenen Glauben begründen, welcher für die Masse der Menschen die einzige Grundlage einer sittlichen Weltanschauung ist, und hinzugefügt: »Der Angriff gegen die Dogmen an sich gleicht deshalb auch sehr stark dem Kampfe gegen die allgemeinen gesetzlichen Grundlagen des Staates, und wie dieser sein Ende in einer vollständigen staatlichen Anarchie finden würde, so der andere in einem wertlosen religiösen Nihilismus« (S. 293)!

Mit dieser Auffassung des Führers und Reichskanzlers übereinstimmend, sind wir uns bewußt, nicht nur unsere religiöse Pflicht als Hüter des christlichen Glaubensgutes, sondern auch unsere deutsche vaterländische Pflicht zu erfüllen, wenn wir heute öffentlich Beschwerde erheben gegen die hemmungslose neuheidnische Propaganda in unserem deutschen Volke und in heißer Liebe zu unserem Volke und in tiefer Sorge um das Gelingen des so notwendigen Erneuerungswerkes kraftvolle Gegenmaßnahmen verlangen. eUm den Bestand des religiösen Glaubens zu sichernf und der drohenden Gefahr des Versinkens in einen »wertlosen religiösen Nihilismus« vorzubeugen, verlangen wir die Wiederherstellung der »Freiheit des Bekenntnisses und der öffentlichen Ausübung der katholischen Religion«, wie sie der Kirche Jesu Christi unveräußerlich zusteht und ausdrücklich im Reichskonkordat gewährleistet ist (Art. 1 des Reichskonkordates vom 20. 7. 1933).

Es ist eine unheilvolle Beschränkung dieser Freiheit, wenn man alle öffentlichen Kundgebungen der Kirche mißtrauisch überwacht, und alle nicht althergebrachten Prozessionen, Wallfahrten, Glaubenskundgebungen verbietet. Es ist eine verhängnisvolle Verleugnung dieser Freiheit, wenn man die katholische Presse vernichtet oder derselben die Stellungnahme zu den Zeitgeschehnissen vom Standpunkt der christlichen Wahrheit aus unmöglich macht.

In Art. 4 des Reichskonkordates ist kontraktlich festgesetzt: »Anweisungen, Verordnungen, Hirtenbriefe, amtliche Diözesanblätter und sonstige die geistliche Leitung der Gläubigen betreffende Verfügungen, die von den kirchlichen Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit erlassen werden, können ungehindert veröffentlicht und in den bisher üblichen Formen zur Kenntnis der Gläubigen gebracht werden«. Bis 1933 war es üblich, daß die bischöflichen Hirtenschreiben durch die Tagespresse den Gläubigen zur Kenntnis gebracht wurden. Heute wird das staatlicherseits gehindert. Ja, man stellt sogar religiöse Kirchenblätter unter Verbot oder Vorzensur. Man hat wiederholt sogar Hirtenbriefe und die sie enthaltenden kirchlichen Amts­blätter beschlagnahmt und ihre Verbreitung verboten! Man verkündet heute laut den Grundsatz der Gewissensfreiheit. Aber man zwingt katholische Beamte, Angestellte, Arbeiter, Zeitungen zu halten, Ver­sammlungen mitzumachen, in denen das Christentum verächtlich gemacht, für eine Abkehr von der Kirche Propaganda gemacht wird. Man zwingt sie, ihre Kinder in Organisationen zu schicken, deren Führer und Schrifttum die Dogmen des Christentums angreifen, die Anhänglichkeit an die Kirche zu untergraben suchen. Man versucht sogar unter Mißachtung der Gewissensfreiheit und der Bestimmungen des Art. 21 des Reichskonkordates, die Lehrer der katholischen Religion zu zwingen, für den Anschluß an diese Organisationen zu werben.

Aus der Aufgabe der Kirche, Christi Wahrheit und Gnade allen Menschen zu bringen, aus der im Konkordat verbürgten »Freiheit des Bekenntnisses und der öffentlichen Ausübung der katholischen Religion«, ergibt sich unmittelbar das Recht der Kirche und ihrer Angehörigen, zu fordern, daß in den Landjahrheimen und Arbeitsdienstlagern die Mitarbeit des katholischen Seelsorgers in der Erziehung und Betreuung der Jugend nicht länger ausgeschlossen wird, und daß die darin vereinigten Katholiken »zu nichts veranlaßt werden, was mit ihren religiösen und sittlichen Überzeugungen und Pflichten nicht vereinbar wäre.«

Die vorstehend angedeuteten Beschwerden und Gewissenforderungen haben im Juni 1934 die drei Bischöfe, welche im Auftrage des Gesamtepiskopates zu Verhandlungen mit Vertretern der Reichsregierung in Berlin weilten, dem Führer und Reichskanzler persönlich unterbreitet und ihn dringend gebeten, daß er bestimmte Anweisung an die Parteistellen und die staatlichen Organe geben möge, daß alle neuheidnische Propaganda unterbleibe.

Man hat uns gesagt, daß die Veröffentlichung dieses Erlasses zurückgestellt sei, bis die Verhandlungen über die künftige Gestaltung der katholischen Vereine und Verbände, denen in Art. 31 des Reichskonkordates staatlicher Schutz zugesichert ist, abgeschlossen ist. Seitdem sind mehr als 11/2 Jahre verflossen. Wir begrüßen es, daß die Reichsregierung die baldige Wiederaufnahme dieser Verhandlungen angekündigt hat. Wir sind bereit, in diese Verhandlungen einzutreten und unsererseits alles zu tun, um unseren Vereinsmitgliedern den vollen Einsatz ihrer Person und ihrer Arbeitskraft in den staatlicherseits für nötig befundenen allgemeinen Ausbildungs- und Berufsorganisationen zu ermöglichen. Wir vertrauen dabei auf das Wort des Führers, der in einem Schreiben vom 28. 4. 1933 dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz die Zusicherung gegeben hat, daß »keine Absicht bestehe gegen die katholischen Vereine und Verbände vorzugehen, soweit diese keine parteipolitischen, dem jetzigen Regime feindliche Tendenzen pflegen«. Wir wissen und verbürgen uns dafür, als die verantwortlichen und anerkannten Führer der bestehenden katholischen Vereine und Verbände und aller in Zukunft etwa von uns anzuerkennenden katholischen Organisationen, daß in derselben Parteipolitik überhaupt nicht gepflegt wird und nicht gepflegt werden darf, erst recht nicht parteipolitische Tendenzen, welche dem bestehenden Regime feindlich wären.

Auf der anderen Seite aber müssen wir fordern und erwarten, daß aus den parteiamtlichen und staatlich geförderten Organisationen, welche bestimmt sind, alle deutschen Volksgenossen einer bestimmten Alters­stufe, eines Standes oder Berufes zu umfassen, aus ihrer Presse und ihren Versammlungen, aus den Vorträgen und Schulungskursen unnachsichtlich alles verbannt und ferngehalten wird, was christliche Glau­bensüberzeugung und christliches Sittlichkeitsgefühl verletzt, erst recht alle direkte oder indirekte Förderung der Verbreitung christentumsfeindlicher Ideen. Solange das nicht geschieht, muß es jedem Volksgenossen, der sich ehrlich zum Christentum und seinen Forderungen bekennt, gefährlich und bedenklich erscheinen, den dafür verantwortlichen Führern sich anzuvertrauen, den solches betreibenden Organisationen beizutreten. Ja, wenn die Glaubensgefahren und die Beförderung des Neuheidentums aus diesen Organisationen nicht gebannt werden, kann es für uns Bischöfe zur Gewissenspflicht werden, die uns anvertrauten Gläubigen vor dem Anschluß an Gemeinschaften zu warnen, welchen anzugehören nur unter Gefährdung des kostbaren Besitzes der christlichen Wahrheit und Gnade möglich wäre. Wenn aber diese Ge­fahren wirksam bekämpft und gebannt werden, so werden die neu aufzunehmenden Verhandlungen einen guten Verlauf nehmen. Es wird sich dann leicht der Ausgleich und die Grenze finden lassen zwischen den Aufgabengebieten der staatlich geförderten allgemeinen Organisationen und der unter Ausschluß jeder Parteipolitik unter staatlichem Schutz weiter wirkenden katholischen Vereine und Verbände. Das vor dem Wiederbeginn der Verhandlungen öffentlich auszusprechen, sind wir unseren Glaubensbrüdern und deutschen Volksgenossen schuldig.

Geliebte Diözesanen!g Die Krise religiöser Streitigkeiten, vor welcher der Führer und Reichskanzler in seinen oben angeführten Worten die völkische Bewegung bewahrt sehen wollte, ist dennoch über unser deutsches Volk gekommen. Sie ist herbeigeführt von jenen, welche in Mißkennung der Wahrheit und des Wertes des Christentums einen neuen Glauben dem seit tausend Jahren christlichen deutschen Volke aufdrängen wollen. Wir wären Verräter an der heiligen Aufgabe, zu der Gott uns bestellt und berufen hat, wenn wir dem nicht Widerstand entgegensetzten. Wir würden unserem Volke einen schlechten Dienst erweisen, wenn wir auf Abwehr und Protest verzichten würden. Die Krise religiöser Kämpfe lastet schwer auf der nationalsozialistischen Partei, deren Mitgliedernh in Wort und Schrift offen und versteckt immer wieder vorgeredet wird, daß die christliche Weltanschauung, daß der Glaube an den Erlöser Jesus Christus und die Treue zur Kirche Christi im Gegensatz stehe zur nationalsozialistischen Weltanschauung. Der oberste Führer Adolf Hitler hat solchem Vorgehen längst das Urteil gesprochen: »Wer über den Umweg einer politischen Organisation zu einer religiösen Reformation kommen zu können glaubt, zeigt nur, daß ihm auch jeder Schimmer vom Werden religiöser Vorstellungen oder gar Glaubenslehren und deren kirchlichen Auswirkungen abgeht (S. 124)«. Wir wissen, wie die Mißachtung dieser Tatsache seitens einflußreicher Parteistellen schwer das Gewissen aller echten Christen in den Reihen der nationalsozialistischen Partei bedrückt.

Die im Gegensatz zum ausgesprochenen Willen des Führers herbeigeführte religiöse Krise lastet schwer auf den für den organischen Aufbau der deutschen Volkswirtschaft neu geschaffenen Standes- und Berufsorganisationen. Es ist ein verhängnisvolles Hindernis für die freudige Einfügung und Mitarbeit christ­licher Mitglieder dieser Organisationen, daß in Versammlungen und Presse immer wieder Angriffe auf ihren ererbten christlichen Glauben, auf die für ihr Gewissen maßgebenden und in Berufsarbeit und Leid stärkenden religiösen Wahrheiten und Werte lauten werden!

Die Last der religiösen Streitigkeiten und die Anfeindungen des christlichen Glaubens belasten die christlichen Familien und ihre treuen Helfer, Lehrer und Erzieher, mit schwerer Sorge. Wie können christliche Eltern mit ruhigem Gewissen ihre Kinder in das Landjahr, in das Arbeitslager, in Heimabende und Schulungskurse gehen lassen, wenn sie nicht nur wissen, daß ihnen dort die der Jugend so notwendige religiöse Führung und Anleitung fehlt, sondern auch nach unwiderleglichen Zeugnissen und nach den Aus­lassungen der den dort maßgebenden Geist bekundenden und beeinflussenden Presse befürchten müssen, daß dort Mißtrauen, ja Haß gegen das Christentum und die christliche Kirche an die Teilnehmer herangetragen wird!

Ja, der gegen das Christentum entfachte Kampf und die von uns pflichtmäßig, aber wegen seiner verhängnisvollen Auswirkungen für die Volksgemeinschaft mit schweren Herzen aufgenommene Gegen­wacht belastet in bedrohlicher Weise das von Adolf Hitler gewollte und geführte Erneuerungswerk des deutschen Volkes, dem wir mit heißem Herzen Erfolg wünschen und täglich von Gott erbitten. In dem Ringen um Deutschlands Freiheit, Ehre und Gleichberechtigung, um die Überwindung der Wirtschaftskrise und der Arbeitslosigkeit, um den sozialen Ausgleich und den Aufbau der durch die Auswirkungen des von der Kirche stets verurteilten sog. Liberalismus zerstörten Volksgemeinschaft stehen wir und die von uns geführten Gläubigen geschlossen hinter dem Führer, bereit und entschlossen zum vollen Einsatz der Kräfte, welche uns als Deutschen, als Christen zur Verfügung stehen. Der Führer hat immer wieder erklärt, daß kein Volksgenosse von der Mitarbeit am Aufbauwerk zurückgewiesen werden soll. Aber wir müssen es offen aussprechen: Unzählige Male wird unsere Ehre verletzt, unsere Mitarbeit zurückgestoßen durch das von einflußreichen Kreisen entzündete und geschürte Mißtrauen, welche die Abkehr vom Christentum, seinen Dogmen und seiner Sittenlehre als Vorbedingung nationaler Zuverlässigkeit betrachten, ja, welche »über den Umweg einer politischen Organisation zu einer religiösen Reformation kommen zu können«, glauben. Es ist nicht wahr, was jene Kreise behaupten, die kirchentreuen deutschen Katholiken verfolgten politische Sonder-ziele, unsere katholischen Vereine seien Zusammenschlüsse mißvergnügter Außenseiter, welche ein Mißlingen der von Hitler geführten Erneuerungsbewegung und Politik hofften oder sogar erstreben und entgegengesetzte parteipolitische Sonderziele verfolgen. Nein, in den kirchentreuen deutschen Katholiken stehen dem Führer die zuverlässigsten Mitarbeiter, die treueste Gefolgschaft zur Verfügung, sobald jene Hemmungen beseitigt sind, welche durch das unerfüllbare Ansinnen vorheriger Verleugnung unseres ererbten Christenglaubens uns gegen unseren Willen von dieser Mitarbeit fernhalten! Es steht nicht in unserer Macht, diese nicht von uns, sondern von anderen aufgetürmten Hemmnisse zu beseitigen, und damit die furchtbar drückende Belastung der völkischen Bewegung durch die »Krise religiöser Streitigkeiten« zu beseitigen.

Darum erheben wir heute noch einmal laut unsere Stimme vor den uns anvertrauten Gläubigen, vor allen deutschen Volksgenossen, vor der gesamten Kirche und der Weltöffentlichkeit, um der Wahrheit Zeugnis zu geben, und mit dem aufrichtigen Wunsche, daß Gott, unseren Führer und Reichskanzler erleuchte und stärke, daß er erkenne, was unserem lieben deutschen Volke zum Heile dient, und es mit starker Hand ins Werk setze! Wir sind uns bewußt, nur jene Forderungen zu erheben, welche sich aus den von Gott gegebenen und auch vertraglich anerkannten Lebensrechten unserer Kirche ergeben, welche unverzichtbar der in Deutsch­land seit tausend Jahren heimatberechtigten katholischen Kirche zustehen, welche erfüllt werden müssen, wenn der furchtbare Gewissendruck, der auf allen treuen Christen lastet und ihnen die sehnlichst erwünschte Mitarbeit am deutschen Erneuerungswerk erschwert oder unmöglich macht, von ihnen genommen werden soll. Die angeführten Worte Adolf Hitlers beweisen, daß er selbst jeden Versuch, die nationalsozialistische Bewegung in den Dienst einer Bekämpfung des Christentums zu ziehen, verurteilt und zurückweist. In der Tat: Die nationalsozialistische Bewegung mit dem Makel einer grundsätzlich dem Christentum feindlichen Einstellung belasten, heißt zugleich ihre Ablehnung durch jeden, der im christlichen Glauben Gottes Wahr­heit, Weg und Gnade erkennt, aufrufen. Ein von solcher Einstellung aus geführter Kampf gegen das Chris­tentum würde nicht nur ungeheueres Leid für jeden seiner Bekenner und vielleicht Opfer an Gut und Blut von ihm fordern, welche schließlich für einen Angehörigen der Kirche der Märtyrer nicht ausschlaggebend sein dürfen, sondern auch unser deutsches Volk in unabsehbares Unglück stürzen.

Der Begründer und Führer der nationalsozialistischen Partei Adolf Hitler hat in seinem Kampfbuch geschrieben: »Die katholische Kirche hat sehr richtig erkannt, daß ihre Widerstandskraft nicht in einer mehr oder minder großen Anpassung an die jeweiligen wissenschaftlichen Ergebnisse liegt, die in Wirklichkeit doch ewig schwanken, sondern vielmehr im starren Festhalten an einmal niedergelegten Dogmen, die dem Ganzen erst den Glaubenscharakter verleihen. So steht sie heute fester da denn je« (S. 512). Ja, die heilige Kirche Gottes steht fest. Sie hat ja die Verheißung des allmächtigen Gottes: »Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen«. Daß aber auch unser deutsches Volk, gestärkt durch den Glauben und die Gnade Jesu Christi, die er durch seine Kirche allen Völkern darbietet, an dieser Festigkeit des Reiches Gottes teilhabe, das ist unser tiefster Herzenswunsch und unser beständiges Gebet. Dem wird auch in Zukunft unsere Arbeit, will's Gott auch unser Kampf, ja wenn nötig, unser Opfern und Sterben geweiht sein. Wir wissen, daß wir so unserer Pflicht gegen Volk und Vaterland und dem allen deutschen Brüdern gemeinsamen Sehnen, unser deutsches Volk zu Ehre, Ansehen, Glück und dauerndem Bestande zu führen, am besten dienen.

In diesem Wunsche erbitten wir Gottes Segen für unser deutsches Volk und seinen Führer. Es segne euch der allmächtige Gott, der + Vater und der + Sohn und der + Heilige Geist. Amen.

  

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